18. September 2015

Vom Müssen zum Wollen

Wer sich schon als Schüler mit Fremdsprachen schwer getan hat, hat oft als Erwachsener auch keine Freude mehr daran. Das Sprechen einer Fremdsprache wird als notwendiges Übel angesehen. Man braucht sie ja nur für berufliche Zwecke oder im Urlaub. Doch was viele nicht wissen: Ist der Zwang erst einmal weg, macht es viel mehr Spaß.

Bis ins junge Erwachsenenalter hinein war ich eine wandelnde Sprachkatastrophe. Als Kind hatte ich kaum nennenswerten Englisch-Unterricht. Denn ich wurde kurz nach der Wende eingeschult und es mangelte auf dem Land an geeigneten Lehrern. Als Teenie hatte ich natürlich andere Probleme und als ich ins Berufsleben eintrat, brauchte ich mein Englisch gar nicht mehr. Auf Reisen kam ich auch immer ganz gut durch ohne zu reden. Wie naiv und faul ich doch war...

Irgendwann kam allerdings die Zeit, in der ich meine mangelnden Englisch-Kenntnisse bereute. Die Globalisierung schritt voran und ich blieb hinten. Mit 25 ging ich dann wieder zur Schule: auf ein Abendgymnasium. Anfangs machte ich mich ganz gut, Latein und Englisch machten mir Spaß. Mit der Zeit schlich sich allerdings wieder der alte Unmut ein. Lehrpläne mussten erfüllt werden, manche Lehrer waren Sprachvermittlungskatastrophen und der Mut schwand in Gegenwart all der jungen Leute, die einfach viel besser waren. Aber dann habe ich mir gedacht: "Was solls? Kann ja nur besser werden. Kümmere dich doch nicht um andere. Du kannst dafür andere Sachen besser." Und mit der Zeit wurde es besser. Viel besser sogar.

Als ich mit der Uni anfing, begann ich mich dann auch stärker für Fremdsprachen zu interessieren. Klar, so als angehende Germanistin. Da will man schon wissen, wie andere Sprachen funktionieren. Also belegte ich als Wahlfach einen Koreanisch-Kurs und dann sogar noch einen für Fortgeschrittene. Die Professorin war eine Perle. Sie war die Geduld in Person. Man durfte jede dumme Frage stellen, alles wurde bei Bedarf wieder und wieder erklärt. Konnte man irgendetwas nicht, bekam man Hilfe statt Vorwürfe. So hatte ich mir immer den perfekten Sprachunterricht vorgestellt. Bekommen habe ich ihn aber erst im Alter von 30 Jahren, nachdem ich schon 14 Schuljahre hinter mir hatte.

Heute lerne ich gerne Fremdsprachen. Aber in meiner Geschwindigkeit und nur für mich. Ich lerne etwas über fremde Kulturen, meine Muttersprache und auch etwas über mich selbst. Bringt man Interesse mit, macht lernen Spaß. Ich bin immer noch keine Leuchte was Fremdsprachen angeht. Aber ich hab Freude daran. Und seien wir mal ehrlich: Wer schafft es denn, eine Fremdsprache wie ein Muttersprachler zu beherrschen? Und wer glaubt denen, die behaupten, fünf Sprachen fließend zu sprechen? 

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