24. September 2015

Vom Müssen zum Wollen: Schullektüre

Viele Schüler und Ehemalige werden folgendes Szenario kennen: Man sitzt gelangweilt an seinem Tisch und die Deutsch-Lehrkraft steht vorn und schwafelt den Stoff des Tages herunter. Die Schüler hören kaum zu, da sie ihr Alltag mit weitaus schlimmeren Problemen als der Gretchen-Tragödie quält. Und die Lehrkraft strengt sich nicht wirklich an, um an der Situation etwas zu ändern. Schließlich müssen die Kindlein den Stoff zur Klassenarbeit eh können. Und diese denken sich: "Was du später kannst besorgen, das liest du lieber morgen. Oder nie. Wozu gibt es denn Wikipedia. Oder Hörbücher. Und am Ende zählt ja doch nicht nur die eine Note."


"Warum soll ich denn Maria Stuart lesen? 
Weiß doch jeder, 
dass am Ende die Rübe runter kommt!"


Wer dann endlich mit der Schule fertig ist, vergisst seine Deutsch-Lektüren in der Regel. Und sollte man später überhaupt noch freiwillig Bücher in die Hand nehmen, orientiert man sich am Geschmack der Masse. Und genau das, finde ich sehr schade. 


"Dann ist er halt ein Käfer. 
Es passiert ja gar nix im ganzen Buch. 
Warum ist er kein Filmstar geworden?"


Bücher zu lesen, bringt uns mehr als nur Noten. Sie unterhalten uns, regen uns zum nachdenken an und sie eröffnen uns eine andere Sicht auf die Dinge um uns herum. Und genau das kann Schullektüre auch. Nur eben nicht immer, wenn wir noch jung sind.


"Die Effi ist einfach nur ne naive Nuss. 
Was soll die mir schon fürs Leben mitgeben können?"


Auch ich habe meine Schullektüre nach dem Realschulabschluss verdrängt, da mir meine damalige Deutschlehrerin zum Ende hin einfach nur noch auf den Geist gegangen ist. Ich habe auch heute keine bessere Meinung von dieser Person. Von der klassischen Schullektüre allerdings schon! Effi Briest ist für mich das Paradebeispiel einer Ehe, die nur theoretisch funktioniert. Der Faust hält bei jeder Lektüre etwas ganz Neues für mich bereit. Und ich habe endlich meinen Frieden mit Schiller gemacht. Zumindest teilweise.
Ist man erst einmal raus aus der Schule und weg von der ewigen Lehrbuchleier, kann man lesen, was man will. Man kann so schnell oder langsam lesen, wie man möchte. Und es kann einem keiner in seine Gedanken zum Buch hineinfuhrwerken. Außerdem gibt es viele Stoffe, deren Tragweite man erst in einem gewissen Alter erkennen kann. Ich meine, welcher 16-jährige kann schon beurteilen, wie man eine harmonische Beziehung führt oder inwieweit der Mensch dazu fähig ist, eigene Entscheidungen zu treffen. Und das muss man mit 16 auch gar nicht. Und man muss auch mit 30 nicht alle Klassiker lieben. Aber man sollte reif genug sein zu erkennen, dass man alte Urteile revidieren kann. Warum etwas neues suchen, liegt das Gute vielleicht noch in der Vergangenheit und wartet darauf, dass man zu ihm zurückkehrt.

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