27. April 2016

Rezension | Gottfried von Straßburg – Tristan

Tristan
Gottfried von Straßburg

Gottfrieds von Straßburg Tristan entstand um 1210. Über den Autor selbst ist wenig bekannt. Das Werk blieb unvollendet. Es gibt zwei Fortsetzungen anderer Autoren, die ebenfalls im 13. Jahrhundert entstanden sind.

(Gottfried im Codex Manesse, Bild-Quelle)

Zum Inhalt
Da ich hier nicht die ganze Geschichte ausbreiten möchte, bleibe ich bei der zentralen Handlung.
Tristan reist nach Irland, um die schöne Isolde als Braut für seinen Onkel Marke, den König von Cornwall, zu gewinnen. Das gelingt ihm und die Gesandten machen sich mit der schönen Isolde auf den Weg nach Cornwall. Unterwegs passiert dann, was passieren musste: Tristan und Isolde trinken von einem Liebestrank, der eigentlich für Marke und Isolde bestimmt war und verlieben sich ineinander. In Cornwall angekommen heiraten Marke und Isolde. Tristan und Isolde können natürlich nicht ohneeinander und ihr Verhältnis wird schließlich entdeckt. Es beginnt eine Art Katz-und-Maus-Spiel zwischen dem Paar und König Marke. Marke versucht mehrmals, die beiden in flagranti zu erwischen, gleichzeitig möchte er die Wahrheit aber gar nicht wirklich herausfinden. Als es ihm schließlich gelingt, verlässt Tristan den Hof. Auf seinen Reisen kommt er irgendwann nach Arundel und begegnet wieder einer wunderschönen Frau namens Isolde. Tristan ist hin- und hergerissen zwischen zwei Frauen. Jedoch steht ihm mit keiner der beiden eine glückliche Zukunft bevor. Die eine will er, aber er kann sie nicht bekommen. Die andere könnte er zu seiner Frau machen, gäbe es die eine nicht.
(Eine ausführliche Inhaltsangabe findest Du im mediaewiki)


Im Gymnasium habe ich bereits das Nibelungenlied und den Parzival gelesen. Das waren aber immer gekürzte Ausgaben und die haben mir damals schon nicht gereicht. Daher habe ich bei den ungekürzten Ausgaben diverser mittelalterlicher Werke gleich mal zugeschlagen und mir einiges gekauft.
Auf den Tristan habe ich mich dann als erstes gestürzt, da mich die Geschichte am meisten angesprochen hat. Man kann dieses Werk natürlich auf viele Arten lesen. Für mich ist es vor allem eine der größten Liebesgeschichten aller Zeiten. Da sind zwei Menschen, die sich so sehr lieben, aber nicht zusammenfinden können. Man kann so richtig schön mitfiebern und mitleiden. Und man kommt als Leser in einen Zwiespalt: Man möchte selbst gern so eine starke Liebe empfinden, die einen mit jemandem verbindet. Andererseits merkt man, dass verliebt zu sein auch ganz schön weh tun kann. Ich denke, dass diese Geschichte universal gültig ist, da die Liebe uns Menschen schon seit vielen Jahrhunderten beschäftigt. Wenn wir einmal alle aufhören sollten zu lieben, dann sind wir auch keine Menschen mehr. Solange wir Menschen auch Menschen bleiben, werden wir uns in solche großen Liebesgeschichten hineinversetzen können und sie gerne lesen und weitergeben. Und das ist gar nicht kitschig, sondern einfach nur menschlich. Und mehr gibt es heute nicht mehr zu sagen :)

15. April 2016

Wie frei dürfen Interpretationen sein?

Da ich mich bald tiefer mit nur einem einzigen Buch beschäftigen möchte, kam mir eine Frage wieder in den Sinn, die ich mir schon als Jugendliche gestellt habe: Wie frei können/dürfen/sollen Literaturinterpretationen eigentlich sein?

Als ich zur Mittelschule ging wurde uns Schülern im Deutschunterricht recht schnell eingeschärft, wie man zu interpretieren habe. Und zwar immer nach den Wünschen der Deutschlehrerin. Diese Dame, Frau Schuster, war mir ein Dorn im Auge. Andere Meinungen als ihre eigene waren verboten. Hat man es im Meinungsteil eines Aufsatzes gewagt, von ihrer Meinung abzuweichen, wurde die Note gleich um einen Grad nach unten geschraubt. Das hat sie von Anfang bis Ende durchgezogen, was mir die Lust am Lesen für eine lange Zeit genommen hat. 
Als ich dann irgendwann meine Matura nachgemacht habe, hieß es, dass man alles mit Textstellen belegen müsse. Das leuchtete mir dann schon eher ein. Schließlich kann man nichts irgendwo herauslesen, was gar nicht vorhanden ist.
Jetzt im Studium interpretiere ich Literatur immer aus einer konkreten Fragestellung heraus. Finde ich etwas, ist es da. Finde ich nichts, ist entweder nichts da oder ich bin zu blöd, um es zu finden. 
Nun als Bloggerin kann ich über ein Buch denken und schreiben, was ich will. Ein Buch nach meinem Geschmack zu interpretieren, kann mir niemand verbieten. Und es gibt unzählige Wege, meine Meinung zu veröffentlichen.

(Bild von pixabay)

Einerseits finde ich es toll, dass man als Privatmensch ein Buch so lesen kann, wie man möchte. Da kann einem keiner vorschreiben, was man sich zu dieser oder jener Stelle denken soll und welches Verhältnis man zu den Figuren aufbaut. Leider sind viele von negativen Erfahrungen diesbezüglich aus dem Deutsch-Unterricht sagen wir mal vorbelastet. Wer einen schlechten Deutschlehrer hat, wird vielleicht gar nicht auf die Idee kommen, dass Lesen Spaß machen kann und dass unter den vielen Millionen Geschichten für jeden etwas dabei ist.
Andererseits kann man natürlich nicht alles aus einem Text herauslesen, obwohl so mancher Filmemacher zu denken scheint, dass das geht.   
Und dann ist da auch noch die Tatsache, dass jeder die Welt anders interpretiert und dass es die Welt bereichern kann, wenn viele Leser ihre Gedanken und Erfahrungen im Umgang mit einer Geschichte mit anderen teilen. 
Und natürlich kann man auch noch auf den Autor schauen. Was hat er oder sie so dazu gesagt? Gibt es Anhaltspunkte, wie man das Werk interpretieren soll? 
Dann kann man aber auch wieder anbringen, dass ein Text, wenn er mal auf die Menschheit losgelassen wurde, praktisch allen Rezipienten gehört und jeder sich seinen Teil dazu denken darf. Wenn ein Autor das nicht möchte, dann sollte er oder sie den Text bitte daheim in der Wand einmauern. 
Und dann gibt es da noch die Fanfiction-Debatte, bei der es auch um die Interpretation eines Textes geht. Ohne die könnte man ihn ja nicht weiterdichten.

Fragen über Fragen und keine eindeutigen Antworten. Wahrscheinlich gibt es keine. Wiedermal nur Ansichten.

Was denkt ihr über die Interpretation von Texten? Wie frei ist der Rezipient? Gibt es Faktoren, die diese Freiheit einschränken? Und wie interpretiert ihr? Lasst ihr euch von gängigen Interpretationen beeinflussen? Schreibt es mir doch in die Kommentare. Das würde mich sehr interessieren!